Ausstellung

BROT & SPIELE



Gruppenausstellung im Kunstforum Montafon, 23.6. - 12.8. 2017
 
(zum Text von Karlheinz Pichler bitte nach unten scrollen!)


 Der Ausdruck panem et circenses stammt vom römischen Dichter Juvenal. Er bedeutet „Brot und Zirkusspiele“. Juvenal kritisierte in seiner Satire, dass das römische Volk in der Zeit des Prinzipats, entmachtet vom Kaisern Augustus, unter dem die Wahlen der Magistrate zur bloßen Formalität verkamen, und Tiberius, der sie völlig dem Volk entzog und dem Senat übertrug, sich nicht mehr für Politik interessierte und nur noch diese beiden Dinge gewünscht habe: Brot und Spiele. In der wissenschaftlichen Literatur wird stattdessen die Ansicht vertreten, bereits in der Zeit der späten Republik hätten die Wähler „panem et circenses“ erwartet und sich, auf diese Weise bestochen, zur entsprechenden Stimmabgabe bei den Magistratswahlen verleiten lassen.

Der Ausdruck bezeichnet auch heute noch die Strategie politischer (oder industrieller) Machthaber, das Volk mit Wahlgeschenken und eindrucksvoll inszenierten Großereignissen von wirtschaftlichen oder politischen Problemen abzulenken.

Dies kritisiert aber gleichzeitig auch eine abgestumpfte Gesellschaft, deren Interesse über elementare Bedürfnisse und „niedere Gelüste“ nicht hinausgeht. Die massive Ausweitung der Sportberichterstattung führt z.B. dazu, dass wichtige politische oder gesellschaftliche Fragen in den Massenmedien in den Hintergrund gedrängt werden. (Wikipedia)

Die Sommerausstellung 2017 im Kunstforum Montafon nimmt sich dieser Problematik an, indem sie Positionen zeitgenössischer Kunst vereint, die sich mit diesem gesellschaftspolitischen und sozialkritischen Thema auseinandersetzen, sei es nun konkret oder in einer rein assoziativen oder metaphorischen Verbindung zum Ausstellungsthema. So geht es einerseits um die Auseinandersetzung mit sportlichen Großereignissen und die Berichterstattung darüber, aber auch über andere Arten von Spielen wie Computer-Games etc. Andererseits geht es um Lebensmittelproduktion mit allen damit zusammen hängenden Problematiken, sei es Massentierhaltung, Gentechnik oder Trinkwasser, um nur einige von sehr vielen zu nennen. 

Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler:

Tomas Eller | Olga Georgieva | Andreas Gursky | Anja Manfredi | Sascha Reichstein| Linus Riepler | Christian Rupp | Ruth Schnell | Konrad Winter

 

Factbox:

Dauer der Ausstellung: 24. Juni – 12. August 2017

Eröffnung: 23. Juni,19 Uhr. Zur Ausstellung spricht Kurator Roland Haas

28. Juni, 14 - 16:30 Uhr: kunstKINDERkunst Workshop mit Helene & Franz Rüdisser

1. Juli, 18 Uhr: Ausstellungsgespräch mit Kurator Roland Haas

22. Juli, 20 Uhr: Panem et Circenses – Kammerkonzert mit dem Salus-Trio 

Öffnungszeiten: Di – Sa 16 – 18 Uhr, Do 16 – 20 Uhr

Kunstforum Montafon | Kronengasse 6 | A-6780 Schruns | T. +43 (0)664 961 77 98 | kunstforum@montafon.at | www.kfm.at

 

Abbildungen:

Andreas Gursky "Madonna I", Diasec, © Andreas Gursky / BILDRECHT, 2017, Courtesy Sprüth Magers

Olga Georgieva, aus der Serie "Looking to score", Tusche auf Leinwand 

Konrad Winter, "Der Kaiser kommt", 2017, 120 x 160 cm, Autolack auf Aluminium

Tomas Eller, "PONDERATION" 2013, HD-Video / 2 min 30 sec , still

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„Der Kaiser kommt“

Kunstforum Montafon thematisiert „Brot & Spiele“

 

Die alten Römer pflegten sich mit Massenveranstaltungen wie Gladiatorenkämpfen zu unterhalten. Vor allem zwei Dinge wurden als essentiell angesehen: Essen und Unterhaltung. Unter Kaiser Trajan beispielsweise war es üblich, von „Getreide und Schauspielen“ zu sprechen, wenn es darum ging, die Bevölkerung ruhig zu halten und zufrieden zu stellen. Daraus entwickelte sich das geflügelte Wort des Dichters Juvenal „panem et circenses“ (Brot und Zirkusspiele), der damit die gleichsame Entmündigung und Kaltstellung des römischen Volkers durch Augustus und Tiberius kritisierte.

Im übertragenen Sinne bezeichnet dieser Ausdruck auch heute noch die Strategie politischer (oder industrieller) Machthaber, das Volk mit Wahlgeschenken und eindrucksvoll inszenierten Grossereignissen von wirtschaftlichen oder politischen Problemen abzulenken. „Dies kritisiert aber gleichzeitig auch eine abgestumpfte Gesellschaft, deren Interesse über elementare Bedürfnisse und 'niedere Gelüste' nicht hinausgeht. Die massive Ausweitung der Sportberichterstattung führt zum Beispiel dazu, dass wichtige politische oder gesellschaftliche Fragen in den Massenmedien in den Hintergrund gedrängt werden“, heisst es in der Online-Enzyklopädie Wikipedia dazu.

Von dieser Warte aus gesehen nimmt sich das Kunstforum Montafon (KFM) mit seiner diesjährigen Sommerausstellung „Brot & Spiele“ einer hochaktuellen Thematik an. Anhand von neun teils sehr unterschiedlichen Positionen wird dabei aufgezeigt, wie sich zeitgenössische Kunstschaffende mit diesem gesellschaftspolitischen und sozialkritischen Thema auseinandersetzen, sei es nun konkret oder in einer rein assoziativen oder metaphorischen Verbindung zum Ausstellungsthema. Roland Haas, der als Leiter des KFM die Ausstellung kuratiert: „So geht es einerseits um die Auseinandersetzung mit sportlichen Grossereignissen und die Berichterstattung darüber, aber auch über andere Arten von Spielen wie Computer-Games etc. Andererseits geht es um Lebensmittelproduktion mit allen damit zusammen hängenden Problematiken, sei es Massentierhaltung, Gentechnik oder Trinkwasser, um nur einige von sehr vielen zu nennen.“

 

Die neuen Gladiatoren

Waren es unter den alten Römern vor allem Sklaven und Raubtiere, die in die Arena geschickt wurden, um das Volk bei Laune zu halten, so so sind es heute Weltsportler wie etwa Marcel Hirscher, Christiano Ronaldo oder Rafael Nadal, die ein Millionenpublikum anziehen und unterhalten oder Popstars wie Pink, Usher oder Lady Gaga. Eines der grossen Highlights der Ausstellung ist denn auch eine Fotografie der US-Sängerin Madonna, aufgenommen vom deutschen Künstlersuperstar (auch ein „Gladiator“ - sic!!) Andreas Gursky. Für seine Kunst wagt der Fotograf viel. Er fliegt mit Helikoptern, erklimmt Baukräne und steht an Rennstreckenzäunen. Für seine Bilder ist er immer auf der Suche nach dem besten Standort. Kompromisse geht er nicht ein. Und stets hält er Umschau  nach Motiven, die gemeinschaftliche Erfahrungen und Weltauffassungen symbolisieren. Das können Boxkämpfe genauso sein wie Flughäfen, Formel-1-Rennen, Konzerte oder nordkoreanische Festivals. Für das Bild von Madonna, das zu den bekanntesten Aufnahmen Gurskys zählt, fotografierte er verschiedene Szenen ihrer Bühnenshow und führte sie später zu einer einzigen Aufnahme zusammen. Das Kunstwerk, das Gursky dann am Bildschirm komponierte, gibt nur vor, eine Momentaufnahme zu sein, in Wirklichkeit ist es eine aufwändige und dichte Konzeption. Mit dieser Methode arbeitet er seit dem Aufkommen der digitalen Bildbearbeitung Anfang der 90er-Jahre. Seither gibt es für ihn keine geglückten "Schnappschuss" mehr. 

Der 1963 in Salzburg geborene Maler Konrad Winter hat für sein Bild „Der Kaiser kommt“ eine Aufnahme aus einem Fussball-WM-Qualifikationsspiel des österreichischen Nationalteams zum Ausgangspunkt genommen. Das daraus abgeleitete Gemälde, das aus lauter kleinen Farbflächen besteht, die sich erst aus der Distanz betrachtet zu einem erkennbaren Bild zusammenschliessen, thematisiert das Publikum nach einem Torjubel, wie das Fahnenmeer suggeriert. Die Arbeit ist aber zweideutig. Es könnte sich auch auf eine politische Veranstaltung beziehen, etwa auf einen Staatsbesuch oder einen politischen Auftritt in einem Stadion. Auch der „Kaiser“ ist ambivalent und kann ein Staatsoberhaupt genauso wie den deutschen Fussballkaisser (Franz Beckenbauer) referenzieren. Das Phänomen der Masse und die Dynamik, die von ihr ausgeht, stellen ein wesentliches Kriterium dieser Arbeit dar.

Die 1986 in Varna (Bulgarien) und heute in Wien lebende und arbeitende Künstlerin Olga Georgieva erkundet in feingliedrigen Tuschezeichnungen von ineinander verschränkten Frauen, Männern und Kindern die Formen der sie umgebenden Passanten an öffentlichen Orten. Es sind Protokolle von Wahrnehmungen, die die dargestellten Personen aus dem Strom der Zeit herausfiltern. In den neuen Arbeiten, wie etwa dem Zyklus „looking to score“, von dem sie Beispiele im KFM präsentiert, amalgamiert die Künstlerin die Logik der gegenständlichen Bilder mit den Regeln des Spieles „Drei in einer Reihe“. Darüber hinaus führt der Titel den Betrachter zu weiteren, auch obszönen, Assoziationen. (...)

Neben diesen Beispielen sind auch Tomas Eller, Anja Manfredi, Sascha Reichstein, Linus Riepler Christian Rupp, sowie die aus Feldkirch stammende Medienkünstlerin Ruth Schnell, die die Abteilung Digitale Kunst an der Universitat für angewandte Kunst Wien leitet, mit exquisiten Werken vertreten, die teils eigens für das KFM produziert wurden. (Karlheinz Pichler, „kulturzeitschrift“, Printausgabe Juni 2017)