Ausstellung

MACHT?GEWINN



Iris Andraschek, Herbert de Colle, Anna Jermolaewa, Lotte Lyon, Anna Meyer, Micha Wille, Gerlind Zeilner
20. Juni – 1. August 2015
Eröffnung: Freitag, 19. Juni, 19 Uhr
Es sprechen Kurator Roland Haas und Ko-Kuratorin Gerlind Zeilner mit den anwesenden KünstlerInnen


MACHT?GEWINN

Spannendes im Kunstforum Montafon

Eine Aufforderung, wenn nicht das Fragezeichen dazwischen irritierte. Ein guter Titel für ein Buch, für ein Symposion, einen Vortrag in Wirtschaftskreisen oder in sozialkritischen Politgremien. Doch was kann man sich dabei für eine Ausstellung von Gegenwartskunst in Schruns vorstellen? Nun, die beiden Ausstellungsmacher Gerlind Zeilner und Roland Haas haben sieben Kunstschaffende, sechs Frauen und einen Mann, ins Montafon gebracht, die – nicht nur künstlerische! - Position beziehen. Auf sehr unterschiedliche Art, alle engagiert, alle in der ihnen eigenen Bildsprache. Eine Sprache, die auch dem Betrachter „das Erfassen von Dingen“ ermöglicht, an die „ich mit Worten nicht rankomme“ (Gerlind Zeilner). Mag Zufall sein, Kriterien einer persönlichen Auswahl durch Kuratorin und Kurator, dass sechs Frauen und nur ein Mann vertreten sind. Kann auch am Thema liegen; an der besonderen Sensibilität von Frauen gegenüber Entwicklungen, die unser Leben beeinflussen, zu bestimmen drohen. Fragen wie Gerechtigkeit, Selbstbestimmtheit, Privatheit, Zivilcourage.

 Chinesisches Symbol und langer Schatten….

Der Österreicher Herbert de Colle, gebürtig aus dem kärntnerischen Wolfsberg, bespielt den Ausstellungsraum mit einem großen Objekt, einer Yin-Yang-Figur. Thematisiert mit diesem uralten Symbol die entgegen gesetzten und doch aufeinander bezogenen Kräfte in der Gesellschaft, die unser Leben beeinflussen, bestimmen. Yin-Yang ist auch Mahnung, den Ausgleich zwischen Ruhe und Aktivität zu beachten, dem Prinzip „Männlich“ ein gleichberechtigtes „Weiblich“ gegenüber zu stellen.

Ein Thema, das die in Wien lebende, aus Horn stammende Künstlerin Iris Andraschek mit einer spektakulären, vielbeachteten Arbeit behandelte. Sie gewann einen anlässlich des Jubiläums „650 Jahre Universität Wien“ ausgelobten Kunstwettbewerb mit ihrem Projekt „Der Muse reicht´s“. Ihr war aufgestoßen, dass sich im altehrwürdigen Arkadenhof der Uni unter den Büsten von 154 geehrten Wissenschaftlern keine Frau befand. Andrascheks künstlerisches Statement ist bei aller Einfachheit – vielleicht gerade deswegen - äußerst eindrucksvoll: Heute weist ein quer über den Boden des Innenhofes sich erstreckender Schattenriss einer kämpferischen Frauenfigur protestierend und erinnernd auf dieses Unrecht hin.

Wer das Gold hat …..

„Wer das Gold hat macht die Regeln“, erklärte uns ein wohlbekannter, milliardenschwerer Kurzzeitpolitiker und bewies seine These damit, dass ihm eine Parteigründung aus dem Nichts gelang. Hat sein Vorgehen uns nachhaltig auf Gefahren aufmerksam gemacht, die der demokratischen Gesellschaft drohen? Wie ernst Humor sein kann, beweist die junge Tiroler Künstlerin Micha Wille. In der Ausstellung hängt ihr Bild mit dem paradoxen Titel „Jedes Gespenst ist kein Gespenst“. Ist mit Gespenst ein ungebändigter Kapitalismus, das Streben nach Gewinnmaximierung, die sich weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich, sind Banken und Konzerne gemeint, deren Diktat die Politik wenig entgegenzusetzen hat? Gespenster, die keine sind, weil sie Realität sind? Es gibt ein weiteres Bild von Wille, das sie recht drastisch „Alles erreicht – faule Sau!“ nennt. Reichtum sei durch Leistung legitimiert, wird uns gesagt. Acht von zehn der reichsten Deutschen sei durch Erbschaft reich geworden, sagt Elitenforscher Michael Hartmann. Zwei Prozent der Weltbevölkerung, die Allerreichsten, haben mehr als die Hälfte aller Vermögen auf der Erde angehäuft. Der Einfluss wirtschaftlicher Akteure  auf politische Entscheidungen wird zunehmend stärker. Aktuelle ökonomische Entwicklungen gefährden die Demokratie.

Der Rubel rollt ……

Der Rubel rollt oder „Der große Salto“ nennt Anna Jermolaewa ihre in Acrylglas gegossenen russischen Münzen mit dem Bild Lenins. Eines Lenin, der umfällt, schon einmal auf den Kopf stehend scheint, aber am Ende des Saltos wieder auf seinen Beinen steht. Ein starkes Bild für die Entwicklung der politischen Situation im heutigen Russland. Anna Jermolaewa ist eine mutige Frau. In St. Petersburg geboren, schloss sie sich jung einer oppositionellen Gruppe an. Vor die Wahl, Ausweisung oder Haft, gestellt, ging sie nach Wien, arbeitet aber nach wie vor für einen demokratischen Wandel in Putins Russland. Furcht sei keine Kategorie für sie. Aufmerksammachen auf unkontrollierte Machtpotenziale, das will sie mit den Mitteln der Kunst. Konfrontiert. Fordert Widerstand.

Widerstand gegen Entwicklungen, die unsere engere und weitere Welt in eine „Welt der Strichcodes“ verwandelt, wünscht sich wohl auch Anna Meyer. Die Schweizerin lebt und arbeitet in Wien. Technikgläubigkeit, unhinterfragte Gesetze des Marktes machen Orte und Städte immer unwohnlicher, bedrohen Privatheit und ändern - zu wenig beachtet - gesellschaftliche Ordnungen. Sie misstraut den Versprechungen eines blinden Fortschrittsglaubens, der sich mehr und mehr in der oftmals maßlosen Architektur der Städte und besonders ihrer „Shoppingmeilen“  abbildet. Ihre Bilder sind Bühne. Fragen: Magst du so leben?

Kunst für Zeitgenossen…..

Wohnlichkeit und ein Behaust-Sein hinterfragen Lotte Lyon, gebürtige Steirerin, und ihre ebenfalls in Wien arbeitende Kollegin Gerlind Zeilner. Lotte Lyon stellt kleine Möbel, Möbelartiges in die Ausstellung. Wie sie benutzt werden können?

Wozu sie gebraucht werden könnten? Das überlässt sie den Besuchern. Gerlind Zeilner, eingangs schon damit zitiert, dass sie mit ihrer Bildsprache das Erfassen von Dingen ermöglichen will, an die man „mit Worten nicht rankommt“, stellt einen „Saloon“ aus. An vielen Tischen sitzen viele Menschen. Ihre Bilder können Bühne sein für Träume. Einen Tisch hat sie aus dem Bild genommen, davor gestellt und bemalt.

Zeitgenössische Kunst ist laut Wikipedia Kunst von Zeitgenossen für Zeitgenossen. Hoffentlich nehmen viele Zeitgenossen diese Gelegenheit in Schruns wahr.

Franz Rüdisser

FACTBOX:

Eröffnung: Freitag, 19. Juni, 19 Uhr

Mittwoch, 24. Juni, 14 - 16:30 Uhr: kunstKINDERkunst Workshop mit Helene & Franz Rüdisser

Mittwoch, 1. Juli, 20 Uhr: „Gewinnmaximierung und Widerstand“ Lesung mit Brigitte Walk

Samstag, 11. Juli, 18 Uhr: Ausstellungsgespräch mit Roland Haas

Freitag, 24.Juli 19 - 20:30 Uhr:  Kammerkonzert mit dem Streichtrio Para Variar

Ausstellungsdauer: 20. Juni – 1. August 2015

Öffnungszeiten: Di – Sa 16 – 18 Uhr, Donnerstag 16 – 20 Uhr