Ausstellung

Zenita Komad - Christian Eisenberger




Ausstellungsansichten

 

Die Art und Weise, wie physikalische Teilchen Energie austauschen und sich dadurch gegenseitig beeinflussen, besteht unter anderem in ihrer elektromagnetischen Wechselwirkung. Deren Stärke beschreibt die physikalische Formel der Sommerfeldschen Feinstrukturkonstante, die der diesjährigen Winterausstellung im Kunstforum Montafon ihren Titel gibt. In seiner Abstraktion verweist er auf die Herausforderung, die in einer Gegenüberstellung zweier Künstler liegt. Denn analog zum physikalischen Prozess besteht auch sie darin, nicht nur zwei gesonderte Oeuvres zu zeigen, sondern darüber hinausgehend eine Kommunikation anzustoßen, die in einem Austausch künstlerischer Energien etwas Neues entstehen lässt. Gelingt es, thematische Berührungspunkte zutage zu fördern und einen Dialog zwischen den beiden selbständigen künstlerischen Zugängen zu eröffnen, wird für den Betrachter eine synergetische, ungleich vielschichtigere Auseinandersetzung mit einem Themenkomplex möglich. In der Gegenüberstellung der auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen von Zenita Komad und Christian Eisenberger besteht ein solcher Berührungspunkt in der von beiden geteilten künstlerischen Entscheidung, die Aussagen ihrer Werke immer wieder in einer inhaltlichen Offenheit zu belassen und so den Betrachter in die Produktion von Bedeutung ausdrücklich mit einzubeziehen.

 

Ausgerechnet mit dem Symbolsystem Sprache, das der Alltagserfahrung zufolge in erster Linie einer möglichst eindeutigen Verständigung dient, eröffnet Zenita Komad ein großes Spiel der Mehrdeutigkeiten. In ihren Schriftbildern leuchten Statements, Behauptungen und Glaubenssätze auf, drängen sich dem Betrachter entgegen, nur um sich ihm im selben Moment schon wieder zu entziehen. Scheinbar widersprüchliche Lesarten der auf der Leinwand versammelten Buchstabenensembles halten sich gegenseitig in einem Spannungsverhältnis und fordern den Glauben an jede semantische Klarheit von Sprache heraus. Und selbst, wenn sich die Textbotschaft zunächst unmissverständlich gibt, ist damit zu rechnen, dass sie sich schließlich doch als unabgeschlossen erweist, wenn sie sich hinüber schleicht in später folgende Leinwände und dort Bedeutungen in Zweifel zieht. The sky’s the limit, konstatierte Komad 2004 in einem Bild, und in Begleitung eines jungen Mädchengesichts schien die Aussage einleuchtend. Nur der Himmel kann ihr eine Grenze sein, jede Hürde auf dem Weg dorthin lässt sich überwinden. Zwei Jahre später jedoch antwortet das weise Gesicht der gealterten Louise Bourgeois: The sky is NO limit! So stehen sich die Botschaften der beiden Frauen in ihrer Widersprüchlichkeit gegenüber, lassen offen, ob sie einander ergänzen oder hinterfragen wollen, und es liegt am Betrachter, sich für einen der Glaubenssätze zu entscheiden oder einen Weg zu finden, beide miteinander in Harmonie zu bringen.

 

Doch selbst innerhalb einer einzigen Leinwand gelingt es Zenita Komad eine zeitliche Komponente einzuführen, die Uneindeutigkeit erzeugt. Gott ist das Nichts, Gott ist nicht das Nichts, Gott ist nicht Nichts – so drei mögliche Lesarten eines Bildes aus dem Jahr 2005, potenziert natürlich durch die Betonung mal des einen, mal des anderen Wortes. Drei Jahre später nun widmet sich Komad erneut diesen Widersprüchlichkeiten und kleidet die abgeschlossen geglaubte Leinwand in eine überdimensionierte Jeansjacke, die den Blick auf die konkurrierenden Aussagen erheblich einschränkt. Nur Fragmente des Textes bleiben sichtbar, müssen nun durch den Betrachter gedanklich ergänzt oder neu miteinander kombiniert werden, damit Bedeutung entsteht.

Das Element der Jeansjacke, die das ursprüngliche Schriftbild ergänzt und erweitert, verweist exemplarisch auf eine wachsende Bedeutung des Skulpturalen in Zenita Komads Oeuvre. Immer häufiger entstehen in den letzten Jahren Objekte, welche die Beschränkungen der konstant bleibenden Grundfläche von 150 x 110 cm in alle Dimensionen hin ausdehnen, um sich den Raum zu erobern und die Grenzen des Mediums Malerei auszuloten.

 

Ein ähnliches Spiel mit Botschaften, die dem Blick des Betrachters entzogen werden, noch ehe er sie entschlüsseln kann, vollzieht auch Komads Briefkuvert und ebenso das in Beton versenkte Buch von Christian Eisenberger. Auch er deutet die Anwesenheit eines lesbaren Textes an, dekonstruiert sie aber im selben Moment durch die Einfassung in die Massivität des Betonblocks.

Die ersten Arbeiten, mit denen Eisenberger auf sich aufmerksam machte, sind seine Pappfiguren, die er mit Laufnummern versehen im öffentlichen Raum aussetzt. Lebensraum der Figuren kann dabei der alltägliche Stadtraum ebenso sein wie kunstoffizielle Anlässe wie etwa die Biennale in Venedig. Die Erwartungen des geübten Kunstbetrachters irritieren sie einerseits durch die Wahl von Pappkartons als künstlerisches Material, andererseits durch ihre Serialität, in der sie die Fünfhunderter-Marke bereits weit hinter sich gelassen haben. Eine weitere entscheidende Komponente ihrer inhaltlichen Uneindeutigkeit ist schließlich die beabsichtigt unkontrollierte Ausstellungssituation, die es dem Betrachter erlaubt, die Figuren ungehindert aus dem vom Künstler gewählten Kontext zu entfernen und sie in einen neuen zu verpflanzen. Indem der Betrachter ihnen einen neuen Standort geben oder sie ganz dem öffentlichen Raum entziehen kann, schafft sein Eingreifen jeweils neue Kontextualisierungen und ist so entscheidend an der Bedeutungsproduktion beteiligt.

Auch in Eisenbergers geschnitzten Keulen kommt die Strategie der Serialität zum Tragen. Einzeln lesbar als eine urzeitliche Waffe, als ein Instrument der körperlichen Auseinandersetzung und des Kampfes, fallen sie aus ihrem Funktionszusammenhang, wenn sie im Rudel auftreten und den Betrachter vor die Wahl stellen, nach welcher der Keulen er greifen will. Abzuwägen sind Gewicht, Handlichkeit und mögliche Schlagkraft der einzelnen Waffen, was ein weiteres Mal erschwert wird, indem alle Griffe in die Mitte des Keulenkranzes zeigen und sich so dem Zugriff des Betrachters entziehen.

 

Eisenbergers Wahl des Materials steht häufig im Kontext einer Auseinandersetzung mit der Natur als Schauplatz seiner Kunst. Nicht nur das Holz der grob geschnitzten Keulen, sondern auch der Wald als Ausstellungsfläche seiner Arbeiten ist seinerseits Teil der Produktion von Sinn. So nutzt Eisenberger etwa einen Ameisenhaufen als Baugrund, auf dem er aus Zuckerwürfeln Schriftzüge, Pyramiden oder ein Modell der ehemals New Yorker Twin Towers auftürmt. Der Künstler übergibt die Kontrolle über die letztendliche Form seiner Objekte an die Ameisen, die sofort beginnen die Architekturen abzutragen, zu zerfressen und den Baustoff Zucker in die Nahrungskette einzugliedern. Für die Ausstellung im Kunstforum versetzt Eisenberger seine Zuckerwürfelskulpturen nun in die Künstlichkeit des Galerieraumes. Es entsteht eine Laborsituation, in der die Ameise als Konstante der Bedeutungsproduktion entfällt und eine Leerstelle für den Betrachter schafft, dessen Interpretation und Körperlichkeit, dessen geistigem und physischem Eingriff die lose Zuckerarchitektur jetzt ausgeliefert ist. Eine ähnliche Brechung schließlich erfährt Eisenbergers Ölteppich aus Tannenzapfen, der statt auf dem Waldboden nun im Galerieraum umrundet werden will und den Schriftzug OIL je nach Blickpunkt einmal heller und einmal dunkler vor dem Hintergrund abhebt. Erst die körperliche Position des Betrachters im Raum, erst seine Entscheidung, ob er den Ölteppich als Schriftzug oder als dessen Negativform lesen will, vollendet die Bedeutung des Kunstwerks.

 

So zeigt die Gegenüberstellung der Arbeiten von Zenita Komad und Christian Eisenberger eine Zusammenschau ganz unterschiedlicher Strategien, die gemeinsam den Betrachter der Ausstellung in den Mittelpunkt der Sinnproduktion stellen. Material, Serialität und das Spiel mit Sichtbarkeit und deren Dekonstruktion erweisen sich als Maßnahmen, um das Kunstwerk von der alleinigen Kontrolle durch den Künstler oder die Künstlerin zu lösen und für eine inhaltliche Erweiterung durch den Betrachter zu öffnen.

 

Oona Lochner

 

 

Eröffnung: Freitag, 5. Dezember 2008 um 19 Uhr

Zur Ausstellung spricht: Markus Mittringer

Die Künstler sind anwesend

 

Dienstag, 6. Jänner. 2009 um 19 Uhr:

Ausstellungsgespräch mit Kurator Roland Haas

 

Ausstellungsdauer:

6. 12. 2008 – 10. 1. 2009

 

Ausstellungskonzept: Oona Lochner

 

Öffnungszeiten: Di – Sa, 16 – 18 Uhr

(geschlossen am 24.,25.,26. und 31. 12. 08 und am 1.1. 09)

 

Courtesy Galerie Krinzinger, Galerie Konzett und Projektraum Viktor Bucher